Antrag / Anfrage / Rede
Haushaltsrede 2002
Haushaltsrede des ÖDP Stadtrates Franz Hofmaier
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
verehrte Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates,
nach etlichen in finanzieller Sicht höchst erfreulichen Jahren, in denen immerhin auch beachtliche Tilgungsleistungen auf städtische Schulden vorgenommen werden konnten, stehen wir heute sicherlich allesamt mit zumindest mehr Skepsis vor dem aktuellen Zahlenwerk für 2003 und dem Ausblick auf die nachfolgenden Jahre.
Wie soll man sich nach dem Krisenjahr 2002 mit den massiv wegbrechenden Einnahmen in den nächsten Jahren verhalten?
Hilfestellung geben wollen uns dabei u.a. die Wirtschaft und die Gemeindeordnung.
Zu ersterer: Vor einigen Wochen fand sich in der Wirtschaftswoche ein Leitartikel, der sich mit den öffentlichen Finanzen in Deutschland auseinandersetzte. Da stand zu lesen, es gäbe „keinen plausiblen Grund dafür, Haushaltslücken durch höhere Steuersätze, neue Steuern und weniger Ausgaben zu schließen.“ Dies verschärfe die Probleme nur noch - und man könne Tugendhaftigkeit auch übertreiben. Ein deutliches Plädoyee für eine expansivere Fiskalpolitik also.
Ingolstadt kann der Artikel aus meiner Sicht nicht gemeint haben: Ein Blick auf die Südliche Ringstrasse genügt. Zwei außerordentliche Großprojekte dort, die bei etwas ungünstigeren finanziellen Rahmenbedingungen vom letzten Stadtrat wohl nicht oder nicht in dieser Form gestartet worden wären.
Zum zweiten Aspekt, unserer Gemeindeordnung. Hier ist in Artikel 71 zu lesen: „Kredite dürfen ... nur im Vermögenshaushalt und nur für Investitionen, für Investitionsförderungsmaßnahmen und zur Umschuldung aufgenommen werden.“
Dieser Vorgabe wird mit dem Haushalt 2003 nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Pflichtzuführung an den Vermögenshaushalt ist nur für ca. 20% der Tilgungen vorgesehen, 7,5 Mio Euro aus dem Anteilsverkauf der Stadtwerke müssen zum Ausgleich des Verwaltungshaushaltes 2003 herangezogen werden. Das heißt: Der Verwaltungshaushalt wird aus dem Vermögen der Stadt ausgeglichen.
Ginge es nun darum, eine Konjunkturdelle zu überbrücken, so könnte man dieses Zahlenwerk mit bewusstem antizyklischem Verhalten in der Tat befürworten.
Rückblickend wird man aber wohl zur Erkenntnis kommen müssen, dass hinter uns einige außerordentlich gute, fette Jahre liegen, deren Wiederkehr nicht zu erwarten steht. Dies ist auch auf der Einnahmenseite der Finanzplanung für den Verwaltungshaushalt der Jahre bis einschließlich 2006 sehr wohl berücksichtigt.
Aus der Einnahmenplanung für den Vermögenshaushalt dieser Jahre ragt dagegen eine Position zunehmend deutlich heraus: Eine Bruttokreditaufnahme, die selbst nach Abzug von Tilgungsleistungen in den Jahren 2004 – 2006 volumenmäßig etwa die Hälfte des Vermögenshaushaltes umfasst.
Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, einen Verschuldungsaufbau von 132 Mio Euro in 2002 auf 230 Mio Euro Ende 2006, eine Nettoneuverschuldung von knapp 100 Mio Euro uns aufzubürden, das können wir nicht zulassen.
Eine Folge dieses Haushalts und der Finanzplanung: Unsere Zinslast steigt kontinuierlich von 2,6% des Verwaltungshaushaltes auf 3,5% in 2006 – weiterhin niedriges Zinsniveau vorausgesetzt. Dies klingt etwas drastischer, wenn man die Zinslast in Relation zur Gewerbesteuer setzt: In 2006 werden wir jeden 8. Gewerbesteuer-Euro für Zinsen ausgeben.
Wo bleibt da gestalterischer Spielraum für den Haushalt der Zukunft, wo bleibt unsere Verantwortung gegenüber der Nachwelt?
Um unsere Situation besser zu verstehen, braucht man sie nur auf einen Privathaushalt zu übertragen. Wenn dieser seine Zinsen und Tilgungen für Kredite oder gar seinen Lebensunterhalt nur durch neue Kredite oder Verkauf seiner Vermögenswerte zahlen kann, dann muß er seine Lebensführung radikal ändern. Und dies gilt jetzt auch für die Stadt. Im Haushaltsentwurf 2003 spiegelt sich eine solche Haltung – trotz so mancher vorgenommener Investitionsstreckungen - nur bedingt wieder. Aus diesem Grunde werde ich auch Haushalt und Finanzplanung für die kommenden Jahre ablehnen.
Nun, wenn schon jemand einen Haushalt ablehnt, so muß er doch wenigstens ein paar Vorschläge parat haben, was denn und wie es denn anders gemacht werden sollte.
Gar keine so einfache Frage, kann man doch praktisch bei jeder in 2003 geplanten Investition feststellen, dass es heißt „Wir müssen jetzt anfangen, weil ...“ und es wird auch prompt eine in aller Regel finanzielle Begründung mitgeliefert. Ob Erschließung eines Baugebietes (siehe Friedrichshofener Strasse), ob Museum, ob Südostspange – für ein jedes Objekt gibt es einen Grund, jetzt die Realisierung anzugehen.
Das heißt: Es wurden in guten Jahren zu viele, in Summe zu teure Projekte in Angriff genommen oder angeplant. Jetzt nichts unter den Tisch fallen zu lassen, sondern halt etwas zu strecken und zu schieben, das alleine erscheint mir nicht ausreichend. Zumal hie und da wohl etwas weiter geschoben wird, als es der Sache dienlich ist: Siehe Einzelplan 2 des Investitionsprogrammes – Schulen. Investitionen in Heizungsanlagen, in Außenrenovierungen und Dachhauterneuerungen zu verschieben, bis diese Positionen zu schönen Teilen hinterhalb des Betrachtungszeitraumes der nächsten vier Jahre landen, das kann in Teilbereichen mal gut gehen, kann aber auch letztlich in Summe noch deutlich höhere Kosten verursachen. Für die beiden Jahre 2007/2008 sind mit insgesamt 28,1 Mio Euro höhere Investitionen vorgesehen als im vorhergehenden Vierjahreszeitraum 2003/2006 mit 26,8 Mio Euro. Im Vorjahr waren für 2003/2006 übrigens noch 42,8 Mio Euro eingeplant, also 16 Mio Euro mehr!
Parallel wird ab 2004 die Deckungsreserve ordentlich gekürzt. Waren wir also bislang zu großzügig und hatten massiv stille Reserven, oder gehen wir für die Zukunft bewusst ein Risiko ein? Wurde das Zahlenwerk noch etwas geschönt, um unter allen Umständen knapp unterhalb der 100-Mio-Euro-Grenze bleiben zu können?
Und wer jetzt an unser letztes Tafelsilber, die verbleibende Stadtwerkebeteiligung denkt, dem sei gesagt, dass bei einem Verkauf aus einer finanziellen Notlage heraus sicher nicht mehr so viel Geld zu erlösen sein würde als zuletzt.
Stellen wir uns noch eine andere Frage: Setzen wir mit unseren Investitionen auch die richtigen Schwerpunkte für die Zukunft unserer Stadt? Nur einige Gedanken dazu.
Erstes Stichwort: eGovernment . eGovernment bedeutet, Bürger und Unternehmen als Kommunikationspartner in die Verwaltung einzubinden. Die Initiative BundOnline 2005 verpflichtet die Bundesverwaltung, bis 2005 alle internetfähigen Dienstleistungen online bereitzustellen. Es gibt auch Städte der Größenordnung Ingolstadts mit dem ehrgeizigen Ziel, bis 2005 über 60 verschiedene Dienstleistungen online anbieten zu wollen.
Für eine moderne Verwaltung, die eine deutliche Effizienzsteigerung und eine raschere Antragsbearbeitung bei gleichzeitiger Verstärkung der Kundenorientierung bieten will, bedeutet dies zwar erst einmal Kosten, aber mittel- und längerfristig enorme Einsparpotentiale, die wir schon zügig nutzen sollten.
Zweites Stichwort: Technologiegläubigkeit im Klinikum . Unserem Klinikum soll mit hohem finanziellem Aufwand eine neue Telekommunikationsanlage verpasst werden, flächendeckend aufbauend auf Schnurlostelefonen mit DECT-Basisstationen.
Sogar noch im Jahr 2002 gibt es keine über medizinische Datenbanken abfragbare Literatur zu den gesundheitlichen Auswirkungen von DECT-Basisstationen, wohl aber zahllose Meldungen zum Teil erheblicher Störungen gegenüber den Feldern dieser Stationen.
Vor diesem Hintergrund DECT in einer derartigen Konzentration einzusetzen, zeigt nicht von Weitsicht. Aber kaum hat es ein Vertriebsmann in Deutschland geschafft, eine solche Anlage – mit auf den ersten Blick unbestreitbaren Vorzügen, aber eben auch ihren Tücken - an ein Klinikum zu verkaufen, schon ist deren Siegeszug kaum mehr aufzuhalten. Höchstens von knapper werdenden Finanzen.
Haben wir mit dem morgigen Tag, - so interpretiere ich die Tagesordnung für die Sitzung des Zweckverbandsausschusses – diesen Punkt jetzt im letzten Moment doch noch erreicht?
Eigentlich sollten uns bei diesem Thema ja nicht die Finanzen stoppen, haben uns doch im Vorwahljahr hochkarätige Referenten, auch im Beisein unseres OB, hellhörig gemacht.
Drittes Stichwort: Regionales Denken . Eine intensivere Zusammenarbeit in der Region erscheint mir wesentlich. Das betrifft zuerst einen regionalen Nahverkehrsverbund, um schon einmal ohnehin auszugebende Gelder möglichst sinnvoll und koordiniert einzusetzen.
Dann gilt es gerade den Berufsverkehr und Audi ÖPNV-mässig optimaler anzubinden, was zum Verstummen manchen Strassenwunschkonzertes beitragen könnte. Bei Audi denke ich natürlich auch an eine verstärkte regionale Nutzung unserer Bahnlinie mit einem Audi-Halt (und an allein 1000 Eichstätter Audianer), natürlich mit anzudenken die Südliche Ringstrasse.
Zweiter regionaler Gedanke: Eine gemeinsame Vermarktung vorhandener großer Gewerbeflächen wie dem Interpark. Wenn wir Ökonomie und Ökologie gleich hoch bewerten wollen, dann müssen wir solche – zugegeben steinigen - Wege in Erwägung ziehen, bevor wir im Stadtgebiet nach immer weiteren möglichen Flächen Ausschau halten.
Damit bin ich am Ende meiner Ausführungen angelangt - ein kurzer Gedanke zum FOC noch zum Abschluß: In dieser Woche bekommt die Stadt noch Besuch von den Oberbürgermeistern der Städte Barcelona und Fidenza – mehr oder weniger PR-Tour für Value Retail. Nach Aussage von Einzelhandelsgutachtern besteht in Deutschland ein Marktpotential für 160 FOCs.
Herr Oberbürgermeister, ich wünsche Ihnen, Ihrer Familie und auch der Stadt Ingolstadt, dass der Bürgerentscheid einen Ausgang nimmt, der Ihnen fortlaufende Ochsentouren durch ganz Deutschland erspart. In Anbetracht unserer Finanzen brauchen wir „alle Mann an Bord“.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.