Antrag / Anfrage / Rede
Haushaltsrede 2008
Haushaltsrede des ÖDP Stadtrates Franz Hofmaier
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
verehrte Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates,
fast müsste man in diesem Jahr um einen kleinen Erschwerniszuschlag für die Verfassung eines Redebeitrages bitten: Jeden Tag eine etwas andere Wasserstandsmeldung, mal zum Standort GVZ II, mal zum Standort des Stadions oder auch zum Stadtbaurat. Was ist nur los in unserer Stadt - aber nicht nur hier: Vor allem auch die Finanzwelt sorgt für Schlagzeilen und an einen Tsunami erinnernde Wellen:
Zunächst ist uns ein Haushaltsjahr 2008 beschert, das besser gelaufen ist als erwartet, dann für 2009 prognostizierte Steuereinnahmen, die alles je dagewesene deutlich übersteigen – soweit sie so auch eintreten.
Und jetzt droht eine Finanzkrise über uns hinwegzuschwappen, die mittlerweile die reale Wirtschaft erreicht hat und in eine weltweite Rezession mündet.
Wie hoch die Welle genau wird, das wissen wir indes allesamt noch nicht.
Aber: Es wird eine Rezession, die nach Ansicht vieler Experten länger anhaltend sein wird. Ein Josef Ackermann revidierte neulich seine bisherige Meinung und sagt nun, „wir werden noch zwei, drei Jahre unter dieser Krise leiden“. Und für uns aus der Autostadt Ingolstadt interessant: Der auch als „Autopapst“ bezeichnete Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer geht noch etwas weiter: „Wir haben drei, vier schwere Jahre vor uns.“
Darüber, dass nachher weltweit – in vielen anderen Ländern noch viel mehr als bei uns – die öffentliche Verschuldung in ganz neue Höhen emporschießt und man mit diesem Klotz am Bein weiterleben muss, darüber lassen sich diese Experten derweil noch nicht aus. Aber man sieht deutlich: Finanzkrise und Klimawandel haben eine gemeinsame Wurzel und dürfen deshalb auch nicht gegeneinander ausgespielt werden: Es fehlt an der Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit als eine auf lange Sicht angelegte Verhaltensweise.
Wie agiert man nun in einer Kommune wie Ingolstadt angesichts eines so turbulenten, von mangelndem Vertrauen geprägten Umfelds?
Es ist sicher richtig, den städtischen Haushalt soweit möglich antizyklisch zu steuern, eine drohende Rezession nicht auch noch mit einem Investitionsabbau zusätzlich zu verschärfen. Und dabei auch noch die vermutlich längere Zeitdauer im Blick zu haben – wie durch Bildung von Rücklagen angedacht.
‚Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an, als dass Politiker Geld zurücklegen' – ein uralter Spruch eines Wirtschaftswissenschaftlers, später auch mal von Franz Josef Strauss aufgewärmt.
Klappt das für die Jahre 2009 – 2012 in Ingolstadt?
Für die Jahre 2009 – 2012 nach dem vorliegenden Zahlenwerk gerade mal so – doch was kommt dann? Ohne weiter mögliche Rücklagenentnahmen? Mit höher prognostizierten Ausgaben unter „zukünftig“ als für die Jahre 2009 – 2012?
Mit anderen Worten: In vier Jahren wird zwangsläufig noch einiges unter „zukünftig“ zu finden sein, was heute schon dort verzeichnet steht.
Ein Kandidat, dem dieses Schicksal beschieden sein könnte, wird wohl die Haushaltsposition „Neues Museum“ sein. 10 Mio. dafür in nicht zu üppigen Zeiten dürften sich als hohe Hürde erweisen – eine Suche nach einer preisgünstigeren und zudem allen Museumsideen gerecht werdenden Alternative erscheint sinnvoll. Vor allem wenn man sich schon die Verteilung der Investitionen für den Dallwigk auf die kommenden 5 – 6 Jahre ansieht.
Wann, so fragt man sich angesichts dieser Streckungen, wird denn da überhaupt eine Nutzung möglich?
Ähnliche Gedanken wie beim „Neuen Museum“ kommen übrigens auch beim Theaterrestaurant auf bei einem Planungsansatz von 5 Mio €.
Dass die Spalte „zukünftig“ in der Finanzplanung im Gegensatz zu früheren Jahren diesmal so hoch bestückt ist, liegt ganz wesentlich daran, dass der Sanierung von Gebäuden, vor allem von Schulen, diesmal höhere Aufmerksamkeit zugestanden wird. Sicherlich können wir auf ganz massive Gelder verweisen, die wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten unseren Schulen haben zukommen lassen. Nichts desto trotz muss man einfach von einem lange Jahre angemahnten Investitionsstau bei älteren Bauten sprechen, der nun nach und nach – zumeist noch unter „zukünftig“ - abgebaut werden soll. Eine energetische Gebäudesanierung wurde leider erst zum Thema, nachdem die Energiekosten allzu auffällig aus dem Ruder gelaufen sind.
Schon unser letzter Energiebericht 2006 weist für städtische Gebäude für Wärme und Strom ca. 3,9 Mio € aus, Tendenz bleibt, wenn auch unter enormen Preisschwankungen, auf lange Sicht zwangsläufig deutlich ansteigend.
Spannweite beim Wärmebedarf der Schulen zwischen 43 und 247 kWh/qm, also dem sechsfachen. Ähnlich verhält es sich bei den Feuerwehrhäusern.
Augenblickliche Ölpreise von unter 50 $ je Barrel sind da kein Grund zum Jubel: Sanierungsbedarf ist vorhanden und wird nun hoffentlich effizient angegangen. Regelmäßige und detaillierte Informationen des Stadtrates sind hierzu vonnöten, schließlich verschlingen diese Sanierungen künftig ganz enorme Teile unseres investiven Haushalts.
An dieser Stelle sei jedoch auch ausdrücklich daran erinnert, bei Schulen den sanitären Einrichtungen sowie einem zeitgemäßen und altersgerechten Mobiliar erhöhte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Ja, langsam werden bei uns auch die Schulen zum Theater !
Ein weiteres Thema, das in den kommenden Jahren immerhin auch Millionenbeträge verschlingt, resultiert aus dem Kinderförderungsgesetz.
2013 soll für jedes Kind mit Vollendung des ersten Lebensjahres ein Rechtsanspruch auf Förderung in einer Kindertagesstätte oder in der Tagespflege bestehen. Eine riesige Herausforderung für Kommunen, da vielfach der bestehende Bedarf schlichtweg vernachlässigt wurde.
Der Aufbau einer flächendeckenden Betreuungsinfrastruktur indes ist kostspielig. Und doch gilt ein Tagespflegeplatz als um 40% günstiger wie ein Krippenplatz. Wenn schon nach Vorstellung unserer Bundesfamilienministerin ein gutes Drittel der Betreuungsplätze in der Tagespflege entstehen sollen, wenn diese schon mit erheblich niedrigeren Investitionen geschaffen werden können, warum wird dann diese Betreuungsmöglichkeit nicht genauso stark forciert wie die Krippenplätze?
Allerdings werden uns auch unsere Kinderkrippen weiter beschäftigen: Kommunen wie München werben mit hoher Betreuungsqualität durch deutliche Unterschreitung des staatlich empfohlenen Betreuungsschlüssels – eine Maßnahme, die für kleinkindliche Betreuung zunehmend wissenschaftlich untermauert und eingefordert wird.
Übrigens verdient qualifiziertes Tagespflegepersonal je Stunde weit weniger als den Mindestlohn, soll unser Wertvollstes erziehen und soll nun diese Einnahmen noch versteuern. Hier gilt es als Kommune Stellung zu beziehen und eine adäquate Erhöhung auf den Pflegesatz je Kind aufzuschlagen.
Ein Blick auf die Allgemeine Jugendhilfe im Verwaltungshaushalt: Sie steigt um etwa 1 Mio € - wesentlicher Faktor dabei: Krippenplätze.
Damit weiter zu einem Blick auf den Nordwesten unserer Stadt – mit Großprojekten, soweit das Auge reicht.
Herausragend dabei die Erweiterungspläne um das GVZ. Keine Frage, dass hier mit einer sensibleren Herangehensweise an das Thema viel an Sorge, Aufregung und Unmut in der Bevölkerung hätte vermieden werden können. Kurios allerdings schon wieder die Pressemeldung, dass die IFG unverzüglich Grundstücke für die jetzt ins Gespräch gebrachte Fläche nördlich des Westparks erwirbt – noch ehe ein Beschluss dazu gefasst worden ist.
Schließlich gibt es bei jedem Bauprojekt viele Aspekte gründlich abzuwägen.
Und man sollte, gerade im Nordwesten unserer Stadt, das Thema Flächenverbrauch stets mit vor Augen haben: In Bayern wird alljährlich etwa die Fläche der Stadt Nürnberg neu versiegelt. Jeder findet es richtig, dass sich hier etwas ändern muss – soweit er nicht selbst betroffen ist.
Bedeutend auch ein Verkehrskonzept: Der GVZ-II-Gleisanschluss wird trotz Bemühungen nicht verhindern können, dass auch der LKW-Zulieferverkehr weiter anwachsen wird. Westparkerweiterung – GVZ-Erweiterung – noch die eine oder andere weitere, wenn auch vielleicht kleinere Begehrlichkeit:
Unser Nordwesten droht förmlich im Verkehr zu ersticken. Wachstum hat nicht nur positive Seiten, darf schon auch kritisch hinterfragt werden. Aber vielleicht schaffen wir es wenigstens, die Audi-TE an öffentlichen Verkehr anzuschließen. Zumindest werden die Erwartungen an den ÖPNV aufgrund zweijähriger Prüf- und Planphase mit MVV Consult bis Ende 2009 immens hoch.
Und da wir schon im Nordwesten der Stadt sind, ein kurzer Blick auf unsere Soziale Stadt: Die Ausweitung auf drei Stadtteile war wichtig und richtig. Dies gerade im Piusviertel auf Dauer abzusichern und unabhängig von weiteren staatlichen Mitteln sinnvoll fortzuführen, wird nun bei nur noch zwei Förderjahren zu einem herausragenden Thema.
Damit zurück zum Haushalt selbst:
Dass die zuletzt hereinprasselnden negativen Nachrichten die Kämmerei zu ersten und kräftigen Korrekturen veranlasst hat, zeigt deutlich die Unsicherheiten auf. Dass sich noch manche Schätzungen im vorliegenden Werk verbergen, die wohl noch vor Oktober entstanden sind, lässt sich z.B. an den Zahlen für „SGB II Leistungen – Grundsicherung für Arbeitssuchende“ ableiten: 2,5 Mio € weniger Ausgaben als im ablaufenden Jahr! Wir könnten uns aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage glücklich schätzen, wenn solche Zahlen Wirklichkeit werden sollten.
Der Bezirk Oberbayern verabschiedet seinen Haushalt zwar erst am 18.12., aber auch von dort hört man von einem höheren Hebesatz.
Risiken birgt das neue Haushaltsjahr also mehr als genug, der Job des Kämmerers ist augenblicklich nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig. Und gar mancher Aufgabenbereich erfordert künftig Mehraufwand, beispielsweise der ÖPNV. Die Mittelfristplanung ist wohl noch mehr als in anderen Jahren eine Grobschätzung.
Audi hat seinen Fokus verstärkt auf den Nahbereich gelegt, fährt, wie Rupert Stadler sich auszudrücken pflegt, „auf Sicht“.
Ähnlich sehe ich unsere Aufgabe: Die Stadt Ingolstadt verabschiedet heute einen Haushalt, doch wir sollten mehr als sonst das Jahr über abwägen, was unter aktuell gegebenen Umständen der beste Weg für die Stadt ist.
Es gibt sicherlich auch manch positives zu diesem Haushalt zu erwähnen, beispielsweise dass für die Instandsetzung von Rad- und Fusswegen höhere Beträge bereitgestellt werden.
Allerdings hätten wir ödp'ler in manchen Punkten – siehe auch meine Ausführungen – die Akzente doch gerne ein wenig anders gesetzt und werden uns deshalb letztlich für eine Ablehnung aussprechen.
Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und wünsche allerseits eine ruhige, besinnliche Weihnachtszeit und alles Gute für das Jahr 2009.