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Antrag / Anfrage / Rede

Haushaltsrede 2016

Haushaltsrede des ÖDP Stadtrates Franz Hofmaier am 1. Dezember 2016

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

verehrte Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates, 

Martin Luther wird der Satz zugeschrieben: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“. „Gott sei Dank keine Linde“ mag dazu der eine oder andere Fahrzeugbesitzer denken, während wir Stadträte uns wiederum eher an unsere Baumpflanzaktion auf dem Landesgartenschaugelände erinnern. 

Wobei wohl kaum jemand gleich über einen Weltuntergang nachsinniert haben dürfte, aber mit Blickrichtung 2020 vielleicht doch etwas besorgt stets unruhiger werdende Zeiten vor Augen hatte – mit den Nachrichten von einem bröckelnden Europa, von einem von vielen als Alptraum empfundenen Wahlkampf in Amerika. 

Populismus ist weltweit auf dem Vormarsch, Globalisierungsverlierer entwickeln ein tiefes Misstrauen gegenüber den Eliten, der Eindruck einer wachsenden Ungleichheit steigert Unzufriedenheit. 

Keine Frage, unser Ingolstadt, über lange Jahre durch außerordentliche wirtschaftliche Entwicklungen begünstigt und folglich weitbeachtet zur „Boomtown“ erhoben, vermittelt immer noch vergleichsweise das Bild einer Wohlfühlinsel inmitten einer zunehmend aufgewühlten See. 

Steigen aber erste dunklere Wolken über unserer absolut dominanten Automobilbranche auf – Stichwort Dieselgate und die Umwälzungen zu einem ganz neuen Mobilitätszeitalter – so zeigt dies rasch Folgen: 

Der aktuelle IHK-Konjunkturindex für die Region sinkt, ein Zeichen, dass der überbordende Optimismus der vergangenen Jahre einer neuen, vorsichtigeren Betrachtung weichen muss. Und in schnelllebiger Zeit bleibt offen, ob wir auch in 10 oder 15 Jahren noch jedem Produkt wie heute so ohne weiteres die Stempel „Premium“ und „Vorsprung durch Technik“ aufdrücken können.

Auch für die Stadt Ingolstadt steht fest: Die Zeiten goldgeränderter Haushaltspläne sind auf absehbare Zeit vorbei. 

Wir werden mit mehr Unsicherheit bezüglich künftiger Steuereinnahmen und überhaupt der künftigen Entwicklung der Stadt leben müssen. Und wir werden dementsprechend auch alle geplanten Ausgaben noch sorgfältiger auf die Waagschale legen müssen. Dies beginnt bereits bei den vorsorglichen Sperren im Verwaltungs- und Vermögenshaushalt, die nun im zweiten Jahr im Umfang von 15% vorgesehen sind. Sie dürfen sich nicht als Dauereinrichtung etablieren: Sicherlich erwächst dadurch die Dringlichkeit, die Unaufschiebbarkeit von Ausgaben zu überprüfen. Andererseits trifft man dann sehr bald vor allem jene, die schon bisher versucht haben, mit ihren Mitteln sparsam umzugehen. 

Wenn Mittel knapper werden, dann wird in aller Regel der soziale Bereich noch wichtiger als zuvor. Umso sensibler gilt es in Bereichen wie Kinder und Jugend bei Gebührenbeiträgen und mit Kostenschrauben zu hantieren. Dies gilt natürlich auch für die Betreuungsschlüssel in Kitas, die angehoben werden sollen. Zu Betreuungsschlüsseln werden keine Städterankings präsentiert, hier schwächelt Bayern ganz allgemein, zum Beispiel im Vergleich zu Baden-Württemberg. Und auch an deutlich reduzierten Betriebskostenzuschüssen werden die Kitas freier Träger schon zu knabbern haben. 

Nachdenklich stimmt auch, dass wohl erst jetzt im unmittelbaren Vorfeld zur heutigen Sitzung Kürzungen beim Stadtjugendring sowie Einsparungen bei den Energie- und Wasserkostenzuschüssen für die Sportvereine nochmals überdacht wurden. Für die Sportvereine geht um nur 20000 €, dabei werden diese als Partner bei der kommunalen Integrationspolitik immer wichtiger und wertvoller – nicht nur wegen des Fußball spielenden und ministrierenden Senegalesen. 

Gerade im sozialen Bereich gilt in schwierigen Phasen, ja keine wertvollen Strukturen zu zerschlagen, was langjährig negativ nachwirken kann. Denken wir als Beispiel nur zurück an 2003/2004, als der ÖPNV eine kräftige Kürzung erlebt hat, von der er sich bis in die Gegenwart nicht vollumfänglich erholt hat. Für uns erfolgreiche Baumpflanzer sollte auch im sozialen Bereich und im Breitensportbereich gelten: Pflegen – hegen – sprießen lassen. 

Damit ein kritischer Blick auf städtische Investitionen.

Wohl wissend, dass Kommunen ganz allgemein ein Investitionsstau nachgesagt wird, und dieser bei genauem Hinsehen auch für Ingolstadt deutlich sichtbar wird. Es gilt also auch hier, zu differenzieren. Jedenfalls fühlt sich die ÖDP-Stadtratsfraktion in ihrem vorjährigen Urteil zum Haushalt 2016 bestätigt, mit dem wir schon damals einige Investitionen konsequent da unumgänglich auf die etwas längere Bank schieben wollten. Ansätze hierzu sind heuer deutlicher im Haushalt sichtbar als noch vor Jahresfrist. 

Ein Beispiel ist die Sanierung der Fußgängerzone.

Diese ist heuer nicht mehr kostenmäßig komplett in der mittelfristigen Finanzplanung abgebildet. Eine dafür raschere Abwicklung der einzelnen Bauabschnitte werden uns allerdings die Einzelhändler sicher danken. 

Ein weiteres Beispiel sind die drei geplanten Straßenbauprojekte rund um das Audi-Werk, bei denen aus unserer Sicht erwartungsgemäß die Investitionen zeitlich gestreckt und geschoben wurden. Allerdings sollten wir auch hier noch zu klareren Priorisierungen kommen, über einen in absehbarer Zeit nicht leistbaren Audi-Südring sollen sich frühestens unsere Nachfolger hier ab 2020 Gedanken machen.  

Investitionen auf die lange Bank schieben? - Dafür eignen sich Schulbauten nicht.  

Das uns erst mit letztem Sitzungsdurchlauf vorgestellte Schulentwicklungsprogramm für Grund- und Mittelschulen sieht für die Jahre 2017-2021 Ausgaben in Höhe von 57 Mio. € vor. Langfristig, so wird festgestellt, sei mit 170 Mio. € zu rechnen. Bei gleichbleibendem Mitteleinsatz würde dies auf 15-16 Jahre für die Umsetzung hinauslaufen. Zeit, um dann langsam an die nächsten Sanierungen zu denken. Und: Wie lange wollen wir dann an welcher Schule Container stehen lassen, die nun als Übergangslösung vorgesehen werden? 

Dabei ist bei allen anderen Schularten zusammen bestimmt nochmals in etwa mit ähnlich hohem Kostenaufwand zu rechnen. Und wer sieht, wie Positionen für Lernmittelausstattung, Schulmöblierung und Sportgeräte gegenüber dem Vorjahr reduziert wurden, dem schwant dabei nichts Gutes. 

Dass alljährlich einige Neupriorisierungen bei Schulprojekten vorgenommen werden mag bis zu einem gewissen Maße nachvollziehbar sein, dass diesmal die mittelfristige Finanzplanung in diesem Bereich zudem stark entrümpelt und auch kostenmäßig entlastet wurde, das ist allerdings unübersehbar. 

Als einen Verlierer der Neupriorisierungen möchten wir den Neubau des Apian-Gymnasiums herausgreifen. Im Vorjahr waren schon mal gut die Hälfte der Investitionskosten im Finanzplan sichtbar, nun ragen als größter Posten bereits getätigte Planungskosten heraus. Der Rest, vermutlich dann wieder teils neu- oder überplant, folgt wohl nach 2020. 

Es wäre interessant, künftig den Anteil der Planungskosten an den Investitionskosten – gerade für die Positionen des Einzelplans 2 Schulen – ganz transparent eigens auszuweisen. 

Damit zum nächsten Theater – rund um unser Stadttheater – mit mancher planerischen Parallele zu letztgenanntem Fall. 

Erst wurde für im Klenzepark ein großes „Kleines Haus“ geplant. Nun gibt es Überlegungen für Kammerspiele direkt neben dem Stadttheater. Überbaut auf städtischen Tiefgaragen? Inwieweit da die Statik mitspielt wird wohl erst nach etlichen weiteren Scheinchen an Planungskosten feststehen. Nein, eine endgültige Lösung für den Themenkomplex Sanierung Stadttheater, Übergangslösung für die Schließdauer desselben und zeitgemäße, ausreichende Werkstatt- und Lagerflächen ist wohl noch nicht in Sicht. „Kinder an die Macht!“ hieß es heuer, als in der Kinderstadt „Kindolstadt“ unsere nachfolgende Generation nach Lösungen für ihre Probleme suchte.

Vielleicht wären wir heute weiter, hätten wir unsere Jugend damals auch zu den Problemen des Stadttheaters befragt. 

Angesichts der bislang kursierenden, sicherlich auch noch näher zu konkretisierender Zahlen zu Gesamtkosten steht wohl die Frage im Mittelpunkt, inwieweit man für die Übergangszeit auch aus etwas kleineren Brötchen ausreichend kulturelle Nahrung ziehen könnte. 

Man sollte auch beim MKKD nochmals überdenken, ob Einsparpotentiale möglich sind, ohne Sanierung und bauliche Qualität des Gebäudes sowie den räumlichen Umfang der Ausstellungsfläche in Mitleidenschaft zu ziehen. Wir wollen hier nicht als Kulturbanausen gesehen werden: Selbstverständlich tragen wir beide Projekte weiterhin mit, aber ein paar konstruktiv-kritische Fragen dürfen angesichts zu erwartender magerer Jahre wohl erlaubt sein. Dass uns Kultur schon wichtig ist kann auch davon abgeleitet werden, dass wir auf mittlere oder längere Sicht im Bereich Georgianum / Hohe Schule zusätzlich etwas von der reichen Historie der Stadt aus Universitätszeiten sichtbar machen möchten.  

 Doch zurück zum Gießereigelände.

Kongresszentrum und Hotel stehen wieder mal auf unserer Tagesordnung. Man will ja nicht immer wieder bei Adam und Eva anfangen: Die ÖDP hatte ursprünglich sehr wohl Sympathien für ein Kongresszentrum in Ingolstadt. Wenn so ein Zentrum wirtschaftlich halbwegs tragbar ist – Defizite gibt es dabei zugegebenerweise immer – dann im Zentrum Bayerns, in Ingolstadt. Ob man dazu nebenan auch noch unbedingt ein Kongresshotel braucht, daran hatten und haben wir unsere Zweifel – und aktuelle Medienschlagzeilen wie „Stadt der leeren Betten“ über sinkende Bettenauslastungen mit Ingolstadt im bayerischen Ranking auf dem letzten Platz liefern zudem eine Bestätigung. 

Es hätte also aus unserer Sicht auch ein Kongresszentrum mit Ausblick auf die Donau und ohne Hinterhofatmosphäre werden können.

Wobei uns natürlich schon schockt, wenn nun die Baukosten auch noch ganz locker die 40-Mio-Hürde nehmen.

Man muss immer sehen und abwägen: Was an Mitteln haben wir zur Verfügung, was steht alles an – und haben wir mal eben übrige 40 Mio, die uns künftig anderweitig nicht fehlen? Auch bei dieser Frage und dieser Summe plagen uns Zweifel.  

Ach ja, und da ist ja noch eine Baustelle, die neben einem hochpositionierten Hotel auf keinen Fall so bleiben kann: Das Kavalier Dallwigk als eines der markantesten Ingolstädter Bauwerke soll nun zu einer Heimstätte unserer digitalen Zukunft gewandelt werden. 

Was auffällt:

Mit einem digitalen Gründerzentrum tut man sich im Rathaus um einiges leichter als mit der Gründung eines Landschaftspflegeverbandes. 

Wenn man will, geht etwas mit Nachdruck voran.

Wenn man nicht will, verschließt man beide Augen vor zu betreuenden Flächen.

Ansonsten hätte man ja auch einen Zusatzantrag mit eigener Alternative einbringen und mit zur Diskussion stellen können – nein, Fehlanzeige.

Also Prio 1 nur der Digitalisierung! 

Oder denken wir an IN-Campus:

Man sah, wie schnell etwas durchgepeitscht werden kann,

und man sieht wie lange etwas dauern kann, was man nicht haben will, z.B. ein Jugendparlament. 

Doch, um etwas Nabelschau zu betreiben: Dies hat jetzt noch gar nicht mal wesentlich damit zu tun, dass sich das Klima im Stadtrat verschlechtert hat, 2016 zu einem Jahr der Auseinandersetzungen geworden ist, garniert mit freundlichen Hinweisen an Andersgläubige wie „mia san die mehrern“. „Suchet der Stadt Bestes“ lautet der Auftrag an uns, nicht etwa Eigenprofilierung, die Schaffung von Kommunikationsmulden und Informationspolitik über die Presse. Aber falls eine Partei in einer Krise nicht weiterkommt, kein Problem, der Ministerpräsident persönlich steht als Nothelfer bereit. 

Vieles gäbe es an dieser Stelle noch zu aktuellen Entwicklungen festzustellen, auch positives. Dass der Verkehrsentwicklungsplan nun das Fahrrad entdeckt hat ist erfreulich. Aber: Die Diskussionsphase ist beendet, die Handlungsphase muss beginnen! 

Und wir haben noch Versäumnisse aufzuholen: In Würzburg entstand schon 1993-1995 ein Verkehrsentwicklungsplan für den Großraum Würzburg. Diesen Schritt müssen wir bei über 52000 Pendlern gemeinsam mit unserer Region erst noch gehen. 

Damit zum Abschluss noch zum ökologischen Bereich. Im Jahr nach der Weltklimakonferenz von Paris wird nun allenthalben an langfristigen Plänen gearbeitet, um den dortigen Vereinbarungen Leben einzuhauchen. Die Bundesregierung rang sich mühsam zu einem Klimaschutzplan 2050 durch, für Ingolstadt wurde immerhin im April 2016 beschlossen, dass wir ein „Klimaneutrales Ingolstadt 2050“ anstreben wollen. Ein enormer Sprung nach vorne, nachdem noch im Juli 2014 ein von der TU München erstellter Energienutzungsplan nach „Kenntnisnahme“ in unteren Verwaltungsschubladen landete, trotz einem ÖDP-Antrag, dazu strategische Ziele zu definieren, um dann Maßnahmen in die Wege leiten zu können. Jedenfalls sollte nun bis zum Ende des Jahres 2016 ein erster Bericht zum Stand der Projektentwicklung geliefert werden. Gut, wir haben noch gut vier Wochen, vielleicht liegt der Bericht auch unter dem Weihnachtsbaum.

Irgendwo muss wohl auch hier noch eine Bremse gelöst werden, finanzielle Mittel für ein „Klimaneutrales Ingolstadt 2050“ wird es jetzt jedenfalls nicht vor 2018 geben. 

Einen kleinen Schritt zur Klimaneutralität haben wir Stadträte heuer ja schon mal selber beigesteuert: Wir haben Bäume gepflanzt und Bäume sind die besten, vor allem auch risikolosesten Kohlendioxid-Speicher. 

Und in Erinnerung an Martin Luther:

Vielleicht fände sich auch im 500. Reformationsjahr im Landesgartenschaugelände noch Platz für ein Apfelbäumchen.

Das wäre dann ein Pflanz-Job für unsere Dekane. 

Der nächste nötige Schritt wäre dann wohl, wenn uns allen nun auch selber ein Gen der Nachhaltigkeit und der Sensibilität für soziale und ökologische Notwendigkeiten eingepflanzt würde. Wir haben eine große Verantwortung: Ohne Versöhnung unserer Lebenswelt mit den natürlichen Grundlagen und der Herstellung sozialer Sicherheit auf einem reduzierten Verbrauchsniveau werden wir die Zukunft nicht gewinnen.

Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, ich nehme an, diesen Ausführungen war zu entnehmen, dass wir manches in unserer Stadt gerne ein wenig anders sehen würden und dass wir uns deshalb zu einer Ablehnung des Haushaltsentwurfes entschlossen haben. Die ÖDP-Stadtratsfraktion bedankt sich für die Aufmerksamkeit und wünscht allerseits eine ruhige, besinnliche Weihnachtszeit, dem Stadtrat als Ganzem eine „gute Besserung“ in Bezug auf das unter uns grassierende Virus mangelnder Transparenz, mangelnder Wertschätzung und mangelndem Respekts - und Allen alles Gute für das Jahr 2017.

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