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Antrag / Anfrage / Rede

Haushaltsrede 2018

Haushaltsrede des ÖDP Stadtrates Raimund Köstler am 4. Dezember 2018

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Mitglieder des Stadtrates,

sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,

Der Haushaltsplan ist ein solides Zahlenwerk und unser Lob geht hier an Herrn Fleckinger - sein Werk ist eine unverzichtbare Grundlage für unsere politische Arbeit. Der Haushaltsplan spiegelt den Beschlussstand des Stadtrates und die Umsetzungsplanung der Verwaltung wider. Dass diese aber nicht zu unserer Vorstellung einer nachhaltigen und sozial gerechten Politik passen, lasten wir natürlich nicht Ihnen an, Hr. Fleckinger.

Wobei angemerkt werden muss, dass wir ÖDPler über so manche Ausgabensteigerung bei den Investitionen entsetzt waren. Aber nicht nur das, wir sind auch sehr skeptisch, ob sich die Zuwächse am Steueraufkommen wirklich einstellen werden. Insofern lastet also schon Unsicherheit über dem vorliegenden Zahlenwerk.

Mit der Klinikumsaffäre und dem „Deppenhaufen“ ist unser Transparenzproblem in Ingolstadt deutlich geworden.

Der „Deppenhaufen“ hat uns Zuhörer gekostet. Wieviel sei dahingestellt, da uns jeder einzelne weh tut.

Haben wir nicht die Verpflichtung, so öffentlich wie möglich zu arbeiten?

Zuhörerfreundliche Präsentationen und datenschutzkonforme Übertragungen der Sitzungen wären eine ernsthafte Aufgabe für unsere Digitalisierungsstrategie. Leider bisher Fehlanzeige.

Andererseits kann uns manches bei der Digitalisierung gar nicht schnell genug gehen.

Da können Kita- und Grundschulkinder wireless surfen, bevor eventuelle Entwicklungsstörungen  durch die Strahlenbelastung bewertet sind. Oder es werden Forschungszentren zugesagt, bevor der Stadtrat dazu entschieden hat.

Wichtiger als Geschwindigkeit wäre hier Ehrlichkeit. Zu den Bürgern aber auch zu uns selbst.

Gerade bei unseren Baugroßprojekten zeigte sich dabei in letzter Zeit ein erhebliches Defizit.

Ehrliche Planung muss alle Kosten und Risiken berücksichtigen und darf nicht durch substanzlose Kostengrenzen ad absurdum geführt werden.

Und bei der Durchführung fehlt anschließend ein ehrliches Risikomanagement, das den Stadtrat in die Lage versetzt, rechtzeitig einzuschreiten und Alternativen zu bewerten.

Seit gestern tagt der 24. UN-Klimagipfel in Kattowitz. Der Klimawandel wird inzwischen ernst genommen, aber ein überzeugendes „Wir schaffen das mit dem Klimawandel!“ ist weder aus Berlin noch München noch Ingolstadt zu vernehmen. Wer ernsthaft etwas verbessern will, der kommt - auch in der Autostadt Ingolstadt – nicht um eine Verkehrswende herum. Ingolstadt braucht nicht mehr Autos, Ingolstadt braucht mehr Bahn, Busse, Fahrräder und Fußgänger!

E-Busse als unrentable Klimakiller zu verschreien und gleichzeitig Flugtaxis zu propagieren passt nicht zusammen.

Der ÖPNV wächst in allen Großstädten, am allerwenigsten aber in Ingolstadt.

Wir trauen uns nicht in den ÖPNV zu investieren, weil uns keiner garantiert, dass danach mehr Leute mit dem Bus fahren und sich die Verkehrssituation verbessert. Mut ist gefragt, wie in Pfaffenhofen oder Aschaffenburg.

Da sollte uns für alle unsere Bürger ein Jahresticket genauso billig wie für Audi sein: nicht das 365 Euro Ticket, sondern ein 150 Euro Ticket für den Innenbereich!

Auch ist die Priorität des Radverkehrs, die der Verkehrsentwicklungsplan verspricht, scheinbar nicht bei allen angekommen. Für 2019-2022  sind keine Gelder für Vorrangrouten vorgesehen. Hier wäre jeder Cent sinnvoller angelegt, als in einem Tunnel unter der Ringstraße.

Und echte Visionen für Radfahren wie z.B. Vorfahrt an Kreuzungen oder komplett überdachte Radwege gegen schlechtes Wetter werden in Ingolstadt wohl immer als Krankheit angesehen. In Südkorea gibt es schon einen über 30 Kilometer langen überdachten Radweg.

Zusätzlich zur Verkehrswende wäre mehr Umweltschutz in Ingolstadt eigentlich ganz einfach. Wir gründen einen Landschaftspflegeverband, der sich um unsere Ausgleichsflächen kümmert. Wir erneuern unseren Flächennutzungsplan, reduzieren den Flächenverbrauch und schützen dauerhaft unsere beiden Grünringe. Damit ermöglichen wir auch zukünftig regionale Landwirtschaft, die am besten noch für ökologische Produktion belohnt wird.

Aber stattdessen lesen wir jede Woche in der Zeitung was Ingolstadt wieder tolles Neues macht. Wir rennen den ersten Plätzen in jedem Wirtschaftsranking hinterher, wie wenn es nichts anderes gäbe. Und die Baustelleritis mit ihren Staus als Nebenwirkungen des Wachstums müssen einfach so hingenommen werden.

Wir fragen uns: Was hat der Bürger von diesem Rankingwahn? Was sind die wirklich wichtigen Themen für die nächsten Jahre?

Die Antwort gibt uns das letzte Wahlergebnis!

Die AFD war stimmenmäßig einer der Gewinner und in manchen Stimmbezirken hatten wir eine erschreckend niedrige Wahlbeteiligung!

Das Feld der Rechtspopulisten und Nichtwähler haben wir in keinster Weise im Griff. Hier ist dringend Handlungsbedarf geboten.

Was wollen die einen, was die anderen?

Mitsprache der Bürger bei wichtigen aber auch weniger wichtigen Entscheidungen in der Stadt kann ein wesentliches Mittel sein, die Politikverdrossenheit abzubauen.

Wir haben eine Bürgerbeteiligung, aber leider mit Systemschwäche.

Bei uns sind die einzelnen Projektleiter in der Verwaltung gefordert, die richtige Form der Bürgerbeteiligung auszuwählen und diese dann irgendwie in ihren ambitionierten Zeitplänen unterzubringen. Wie dies dann aussieht, mussten wir am Digitalen Gründerzentrum erleben – eine Runde „Punkte kleben“ auf das schönste Bild.

Ohne eine neutrale Instanz, den von vielen geforderten Beteiligungsrat, wird dies nichts. Bürgerbeteiligung, die alle erreichen soll, ist kein Nebenjob.

Um auch die abgehängten Bürger wieder zu motivieren, bedarf es mehr. Bei der Bürgerbeteiligung, aber auch bei der gefühlten sozialen Gerechtigkeit.

Auch wenn sich ein leichter Silberstreif am Ingolstädter Immobilien- und Miethimmel zeigt, sehen wir es als notwendig an, dass die Stadt nicht zu steigenden Preisen und Mieten beiträgt. Hier ist besonders die Vergabe von Grundstücken zu Höchstpreisen anzuprangern.

Aber auch am Arbeitsmarkt muss die Stadt weiter an ihrer Rolle als Vorbild eines verantwortungsvollen Arbeitgebers feilen. Leider wird hier mit Steueroptimierung und Schaffung vieler Vorstandsposten die Vorbildfunktion konterkariert.

Laut einem aktuellen Kultur-Städteranking sind ca. 60 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren kaum oder nicht an der Kunst- und Kulturszene interessiert.

Wir könnten nun einfach sagen: Kunst und Kultur will die Mehrheit nicht, also lassen wir es. Aber genau das wäre falsch.

Museen sind identitätsstiftend und leisten ihren Beitrag zur kulturellen Bildung. Und Kunst verbindet international und hilft Vorurteile abzubauen.

Besonders in den Stadtteilen mit geringer Wahlbeteiligung und hohem Zuspruch für Rechtspopulisten muss ein offenes Kulturangebot stärker gefördert werden!

Auch zeigen die Wahlen in diesen Stadtteilen ein Akzeptanzproblem unserer heutigen Politik.

Sogar der Bund hat dies erkannt und 2015 das Programm „Demokratie leben“ gestartet.  Das Programm fördert Projekte zur Stärkung der demokratischen Bürgergesellschaft, sowie Engagement für Vielfalt, Toleranz und Demokratie.

Regensburg hat hier schon eine lokale Förderrichtlinie aufgelegt und Ingolstadt sollte dringend nachziehen.

Hier sind auch die Aktionen des SJR zur politischen Bildung ausnahmslos zu unterstützen.

Aber alle politische Bildung hilft nicht weiter, wenn wir als Stadtrat nicht bei unseren täglichen Entscheidungen diese Bürger im Bewusstsein behalten.

Wir müssen uns viel öfter fragen: Was wollen unsere Bürger? Wie können wir ihre Bedürfnisse bei den Themen Wohnen, Arbeit und Teilhabe erfüllen?

Unsere Antwort darauf ist:

Gesundes Wachstum in den Bereichen Umweltschutz und Kultur

alle Bürger beteiligen

transparente und ehrliche Politik

und das zum Wohl unserer Bürger, dem Gemeinwohl!

Aber stattdessen leben wir in einer Stadt der zwei Geschwindigkeiten. Vollgas bei der Digitalisierung, Kriechgang beim Rest. Wir sind ja auch nur auf Platz 12 im Digitalisierungsranking!

Sehr geehrte Damen und Herren, die ÖDP-Stadtratsgruppe wünscht allerseits eine ruhige, besinnliche Weihnachtszeit und alles Gute für das Jahr 2019

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