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Antrag / Anfrage / Rede

Qualitätsoffensive ÖPNV-Förderung für Pendlerverkehre

ÖDP-Stadträte schreiben an Bayerischen Ministerpräsidenten

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Seehofer,

das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich mit Fahrverboten, die EU-Kommission mit einem Vertragsverletzungsverfahren zur Umsetzung von EU-Recht  gegen die Bundesregierung – an einem Tag im Blickpunkt Stickstoffdioxid, am nächsten dann wieder Feinstaub.

Dass nun plötzlich aus heiterem Himmel, ohne dass dies im Entwurf zum Koalitionsvertrag thematisiert worden wäre ein kostenloser ÖPNV ins Gespräch gebracht worden ist und auch genannte Modellstädte dafür nicht im Vorfeld informiert waren kann wohl nur mit allerhöchster Sorge um die Vermeidung von möglichen Fahrverboten in Städten erklärt werden.

Dabei ist nun aber wiederum zu beachten, dass eine letztlich auf Städte mit Grenzwertüberschreitungen begrenzte Aktion „ÖPNV zum Nulltarif“ kaum dauerhaft vermittelbar ist, sollen doch dann die Kosten über Steuereinnahmen auch von Bürgern anderer Kommunen mitbezahlt werden. Eine verbessernde Lösung, die in breiterer Form den Bürgern zu Gute kommt, wäre demnach vorzuziehen. Auch eine Reaktion mit Einschränkungen der Fahrerlaubnis an besonders belasteten Straßenzügen würde durch Verkehrsverlagerungen nur zu Überschreitungen  von Grenzwerten an ganz anderer Stelle führen.

Hinzu kommt, dass ein umfassend ticketfreier ÖPNV zunächst attraktiv klingt wie „Freibier für alle“: Zumindest kurzfristig ist dies aber nicht umsetzbar, denn dazu wären zahlreiche zusätzliche Fahrzeuge, deutlich größer dimensionierte Busdepots und mehr Mitarbeiter erforderlich.

Was allerdings aus unserer Sicht rascher und zielgerichteter umgesetzt werden könnte wäre, stattdessen den Fokus auf den Pendlerverkehr zu richten und diesem durch eine Qualitätsoffensive landesweit mehr Attraktivität zu verleihen.

Lassen Sie uns dies aus dem Blickwinkel Ihrer Heimatregion veranschaulichen:

Im Norden Ingolstadts haben sich beispielsweise die Randgemeinden Gaimersheim auf über 12000 Einwohner und Kösching auf insgesamt über 10000 Einwohner, selbst ohne Ortsteile Kasing und Bettbrunn auf über 8500 Einwohner entwickelt, beide wie das gesamte Umfeld der Stadt bei weiter steigender Einwohnertendenz.

Kösching jedoch hat vor einigen Jahren sein Busangebot ausgedünnt, es gibt tagsüber in der Regel nur noch einen Stundentakt. Am Abend wiederum haben beide Randgemeinden Angebotslücken, da die Busabstände auf bis zu zwei Stunden – und mehr -  anwachsen: Von Kösching nach Ingolstadt fährt nach 20 Uhr nur noch ein einziger Abendbus (22.31 Uhr). Eine echte Alternative zum Auto stellen diese Angebote für viele Bürger nicht dar.

Für Orte wie Gaimersheim und Kösching mit ihrer in den letzten Jahren massiv gewachsenen Flächenausdehnung wären zudem schon heute Maßnahmen nötig, um die Bus-Fahrzeiten alleine innerhalb des Orts zu reduzieren und dadurch den ÖPNV attraktiv zu bekommen: Viele Einkaufsmärkte, Wohn- und Gewerbegebiete, Sportanlagen, in Gaimersheim Friedhof und Bahnhof sowie im Fall Kösching zusätzlich das Krankenhaus und das künftige evangelische Gemeindezentrum mit Kirche liegen weit vom jeweiligen Ortskern und Rathaus entfernt.

Die Ingolstädter Verkehrsgesellschaft (INVG) registriert einen seit Jahren nach und nach leicht fallenden Anteil der Fahrgäste der Umlandgemeinden – kein Wunder!

Denkendorf, 20 km nördlich von Ingolstadt gelegen, ist samt Ortsteilen auf mittlerweile deutlich über 5000 Einwohner angewachsen. Im Nahverkehrsplan für den Kreis Eichstätt aus dem Jahr 2000 ist eine verbesserte Linie Denkendorf – Ingolstadt als notwendig angesehen worden, bei damals noch gut 500 Einwohnern weniger. Diese Busverbindung nach Denkendorf weist tagsüber mehrstündige Lücken auf, der letzte Bus Richtung Denkendorf fährt um 18.30 Uhr am Zentralen Omnibusbahnhof los. Dabei weisen Statistiken alleine 816 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte als Einpendler von Denkendorf nach Ingolstadt aus. Beschäftigte, die in aller Regel anstatt der 42 Minuten Fahrzeit zum ZOB Ingolstadt - von dem aus dann ja noch vielfach weitere Zeiten zum Arbeitsplatz hinzuzuaddieren sind – zum Auto greifen. Einen wenig genutzten Schichtbus zu Audi gibt es zwar noch, Fahrgemeinschaften spielen eher eine größere Rolle, dennoch kann wohl von ca. 500 Autos ausgegangen werden, ein respektabler Beitrag für einen einzigen Ort der Region zum Verkehr auf Ingolstadts Straßen.  

Auch aus Ihrem Stimmkreis Neuburg-Schrobenhausen, Herr Ministerpräsident, verlautet, dass mehr als jeder zweite Landkreis-Bürger außerhalb des Landkreises arbeitet.

Wie wichtig es wäre, bei den Pendlerströmen anzusetzen, zeigt auch ein „Integriertes Räumliches Entwicklungskonzept der Stadt Ingolstadt und Ihrer Umlandgemeinden (Stand Dezember 2014)“. Dort werden die Schwächen im Mobilitätsbereich überaus deutlich benannt:

  • Es bestehen Lücken im Radverkehr
  • Das Straßennetz ist zu Stoßzeiten, v.a. Schichtwechsel Audi, überlastet
  • Die Leistungsfähigkeit des ÖPNV wird dem Bedarf nicht gerecht

Und es ist anzunehmen, dass in aller Regel den Umlandgemeinden ein umfangreicheres, attraktiveres Busangebot, das sie entsprechend bestellen und dafür auch bezahlen müssten, einfach zu teuer erscheint. Hier wäre aus unserer Sicht der Ansatzpunkt zu sehen, um zu Entlastungen der Straßennetze allgemein, aber eben auch im Zusammenhang mit Schadstoff-Emissionen und letztlich auch dem Verkehrslärm zu kommen.

Nach unserem Eindruck müsste ein Hauptaugenmerk bei Pendlerverkehren auf den Verkehr gelegt werden, der Landkreis- bzw. Stadtgrenzen überschreitet, dort sehen wir heute die oftmals deutlichsten Defizite. Wir könnten uns vorstellen, dass mit gezielten Förderungen, die jeweils von einer Koordinierungsstelle auf Bezirksebene im Auge behalten werden, am raschesten Fortschritte erreicht werden können.

Im Kern geht es also darum, zu einer verbesserten finanziellen Unterstützung von Seiten des Freistaates Bayern zugunsten der Pendlerverkehre zu kommen, da viele Kommunen nicht in der Lage sind, dies finanziell selber zu schultern, und unzulängliche Taktzeiten und hohe Fahrpreise für verbliebene Nutzer zu einem Abwärtsstrudel geführt haben – welcher wiederum die Straßen in unseren Städten mit Verkehr flutet.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Seehofer,

niemand will eine radikale Lösung unserer Verkehrsprobleme, die letztlich zulasten von Köpfen in der fahrzeugbauenden Branche führt. Doch all das hilft uns nicht weiter, wenn es uns nicht gelingt, in gleichem Maße an die nachwachsende Generation zu denken, der auch ein lebenswerter Planet hinterlassen werden soll.

Es muss uns gelingen, auf dieser gedanklichen Grundlage Veränderungen anzustoßen. Je früher und konsequenter, umso vielversprechender.

Wir möchten Sie deshalb bitten, unsere vorgebrachten Punkte eingehend prüfen  und uns eine Rückmeldung zukommen zu lassen. Wobei es nicht ausreichend sein wird, nur Probleme zu erkennen und zu benennen (siehe unser Beispiel zum Jahr 2000 oben), sondern mit gesetzten zeitlichen und finanziellen Zielen zu untermauern.

Da Sie demnächst Ihr Amt als Bayer. Ministerpräsident abgeben werden, werden wir dieses Schreiben zur Information auch an Ihren designierten Nachfolger Markus Söder leiten.

Vielen Dank und viele Grüße

gez. Thomas Thöne   gez. Raimund Köstler

Stadtrat und                Stadtrat und

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